Ein Traktat über philosophische Tieffliegerey und angelsächsische Falsche Freunde.
Vermutlich sind Sie auf diese Seite verwiesen worden, weil Sie sich zuvörderst in philosophischer Hinsicht als Tiefflieger und in germanistischer als Hilfsbremser produzierten, indem Sie dem unsäglichen Sinn machen durch unabhängige Neuerfindung, Wiederholung oder Zitat Vorschub leisteten.
Ich erlaube mir, Sie diesbezüglich wie folgt aufzuklären.
Kaum lesen Sie diese Zeilen, fühlen Sie sich zu Widerspruch berufen. Bevor Sie sich weiter vergeblich bemüßigen, erlauben Sie mir, die am häufigsten angeführten Argumente gleich vom Tische zu wischen.
Alle sagen es.
Stimmt nicht, mir zum Beispiel kommt es nicht über die Lippen. Richtig, vom Bundeskanzler über die Nachrichtensprecher bis zu Xavier Naidoo sagen und singen es viele. Wodurch es nicht richtig wird. Oder plappern Sie alles nach, was die Autoritäten so von sich geben? Singen Sie etwa besser als Herr Naidoo?
Sprache wandelt sich, also sollten wir es akzeptieren.
Richtig, Sprache wandelt sich, vor allem der Wortschatz. Die Übernahme mancher Anglizismen wird von mir durchaus begrüßt. Wo ich allerdings das Bewußtsein geschärft sehen will, ist bei der Übernahme sogenannter Falscher Freunde aus anderen Sprachen. Ein falscher englischer Freund ist zum Beispiel become, was der unkundige Fünftklässler auch schon mal mit bekommen übersetzt. Genauso geschah es vermutlich vor einer Dekade, als ein offensichtlich viel Gelesener (Leitartikler? Kolumnist? Radiosprecher?) unter Zeitdruck und oder mangels akkurater Übersetzungskenntnisse den (inneren) Babelfisch bemühte und (doesn't) make sense mit macht (keinen) Sinn wiedergab. Im Zeitalter der Macher, der vor Energie strotzenden Beweger, der Powermänner und Powerfrauen paßte das natürlich zum Zeitgeist wie die Faust aufs Auge, klang deutlich nach Aktivität (machen vs haben oder sein) und verfing sich folglich. Dennoch: Es ist kein schlechtes Deutsch, sondern gar kein Deutsch. Wer's nicht glaubt, schaut mal bei uebersetzungsfallen.de vorbei und überlegt sich, ob er eigentlich seinerzeit seine Hausaufgaben in Englisch getan hat… Läsen Goethe, Kant oder Einstein heute von den Sinnmachern, sie runzelten bedenklich die Stirn. Zum Glück gibt es noch Deutschlehrer, die ob solchen sprachlichen Unvermögens gnadenlos den roten Füller zücken.
Wohlan, was bleibt zu tun? Weisen Sie andere (gerne auch mit Verweis auf diesen Traktat) auf deren Faux-pas hin, wo und wann immer Sie einen Sinnmacher entdecken. Rezitieren Sie Ihre nun gewonnene Erkenntnis, weisen Sie sich im selben Atemzug zugleich als profunder Philosoph als auch Kenner der deutschen Sprachkultur aus. Antworten Sie im Nutznetz, schreiben Sie Leserbriefe, rufen Sie bei Ihrem Sender an. Nichts Geringeres als das Ansehen Deutschlands als Volk der Dichter und Denker steht auf dem Spiel.
Mit philosophischen Grüßen,
Jens Schweikhardt
Dieser Traktat darf und soll für beliebige Zwecke in beliebiger Form vervielfältigt werden.